Prof. Dr. Peter Strohschneider lehrte Literaturwissenschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Er war u. a. Vorsitzender des Wissenschaftsrats und der Zukunftskommission Landwirtschaft sowie Präsident der Dt. Forschungsgemeinschaft. Ob Klima-, Umwelt- oder Gesundheitskrise: Die Machtworte der Wissenschaft verheißen Abhilfe im Zeichen moderner Sachrationalität. Tatsächlich aber verbündet sich hier Wissenschaftsgläubigkeit mit einem tendenziell undemokratischen Machtanspruch. Im Mehrheitsprinzip wird Freiheit gewährleistet. Demokratische Herrschaft verbindet sie mit politischen Rationalitätserwartungen. Aktivistische Wissenschaft oder szientistische Politik setzen hingegen einseitig auf das alternativlose Regime einer unbedingten Wahrheit. Das „Follow the Science!“ hat in modernen Wissensgesellschaften viel für sich. Öfter bedeutet es jedoch bloß ein „Schluss mit der Diskussion! Die Zeiten sind zu ernst.“ Wie der Vortrag anhand aktueller Beispiele zeigt, kann der Szientismus schnell autoritär werden – zum Schaden der liberalen Demokratie und ihrer Fähigkeit, epochale Herausforderungen klug und wirksam zu bearbeiten.
Dr. Mojib Latif, bekannt aus den Medien, ist Professor am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. Seit Januar 2022 ist er Präsident der Akad. der Wissenschaften in Hamburg. Seit über 50 Jahren wissen wir um die erschreckenden Auswirkungen von Umweltzerstörung und Klimawandel. Zwar häufen sich internationale Umwelt- und Klimakonferenzen, doch warum handeln wir nicht konsequent gegen die verheerenden Bedrohungen? Mojib Latif wendet sich hier der Frage zu, warum unsere Welt trotz besseren Wissens weiterhin auf gefährliche Weise den Ast absägt, auf dem sie sitzt. Er stellt die unbequemen Fragen nach dem Versagen der Politik und den Interessen weniger mächtiger Konzerne, die von dieser fatalen Entwicklung profitieren. Er zeigt Wege auf, wie dennoch durch globale Zusammenarbeit die Zukunft nachfolgender Generationen gerettet werden kann.
vhs.wissen live, das digitale Wissenschaftsprogramm der vhs, bietet Ihnen qualitativ hochwertige Vorträge zu aktuellen Themen aus Gesellschaft, Kultur und Wissenschaft. Sie sind live dabei, zu Hause oder unterwegs, und können sich an Diskussionen über Chats beteiligen. Buchen Sie das Semester-Abo, verfolgen Sie alle Vorträge des Semesters für nur 63,- €. Zudem benötigen wir Ihre Email-Adresse zur Zusendung der Zugangsdaten vor Kursbeginn. Themen: 03.02.2025 19:30 - 21:00 Die sieben Todsünden. Menschenwissen für das Zeitalter der Krise 06.02.2025 19:30 - 21:00 Less is more? - zur Psychologie von Konsumreduktion und nachhaltigem Konsum 09.02.2025 19:30 - 21:00 Shakyamuni Buddha - HIstorische Gestalt und zeitloses Vorbild 12.02.2025 19:30 - 21:00 Grüner Kolonialismus - wie eine NGO große Teile Afrikas beherrscht 17.02.2025 19:30 - 21:00 Schönheit der Astrophysik 25.02.2025 19:30 - 21:00 Dürer im Zeitalter der Wunder - Kunst und Gesellschaft an der Schwelle zur globalen Welt 09.03.2025 19:30 - 21:00 Die drei Ringe - Warum die Religionen erst im Mittelalter entstanden sind 13.03.2025 19.30 - 21:00 Zukunft des Fliegens 16.03.2025 19:30 - 21:00 Pop-up-Propaganda: Epikrise der russischen Selbstvergiftung 25.03.2025 19:30 - 21:00 Wasser für die Welt - klimaresilientes Wassermanagement angesichts klimatischer und geopolitische Herausforderungen 27.03.2025 19:30 - 21:00 Wenn Russland gewinnt: Ein Szenario 08.04.2025 19:30 - 21:00 Raus aus der Abhängigkeit: Sicherung der Rohstoffversorgung für Deutschland 10.04.2025 19:30 - 21:00 A matter of taste - Wie kommt Geschmack in unser Essen 27.04.2025 19:30 - 21:00 Dialektik der Hure: Von der "Prostitution" zur "Sex-Arbeit" 04.05.2025 19:30 - 21:00 Tiere in der antiken und islamischen Philosophie 07.05.2025 19:30 - 21:00 Psychologie Störung durch Internetnutzung 14.05.2025 19:30 - 21:00 Der Zeitpächter. Einiges über Goethe und Italien 15.05.2025 19:30 - 21:00 Papst und Zeit. Vom Weltreich zur Weltkirche? 02.06.2025 19:30 - 21:00 Der jiddische Witz 25.06.2025 19:30 - 21:00 Digital. Kriminell. Menschlich - eine Cyberstaatsanwältin berichtet
Prof. Dr. Annette Kehnel lehrt Mittelalterliche Geschichte an der Universität Mannheim. Ihr Buch «Wir konnten auch anders» wurde mit dem NDR-Sachbuchpreis ausgezeichnet. Wir leben im Zeitalter der Krise – und haben doch kaum eine Vorstellung davon, wie wir dem Imperativ des «Immer mehr» entkommen können. Dabei kannten unsere Vorfahren, wie Annette Kehnel zeigt, doch Mittel und Wege. Sie nimmt uns mit auf eine Reise in die Antike und ins Mittelalter, wo sie jahrtausendealtes Menschheitswissen entdeckt – ausgerechnet in den sieben Todsünden, die sie als Lehre vom Umgang mit der Naturgewalt Mensch neu interpretiert. Jede der Todsünden spiegelt eine Bedingung unserer menschlichen Existenz: So geht es z.B. bei luxuria (Wollust) letztlich um maßvollen Konsum, bei avaritia (Habgier) um die Einsicht, dass Besitz und Reichtum beschränkt werden müssen; ira (Zorn) bearbeitet Aggression und Gewalt, invidia (Neid) die Kehrseite von ungezügeltem Wettbewerb und superbia (Hochmut) unser Streben nach Status und Macht.
Prof. Dr. Oliver Büttner lehrt Wirtschaftspsychologie an der Univ. Duisburg-Essen. Unser Konsumverhalten beeinflusst in vielen Bereichen wie z.B. Mobilität, Ernährung und Reisen den globalen CO2-Ausstoß. In der Diskussion um nachhaltiges Verhalten wird deshalb unter dem Stichwort Suffizienz oft eine Reduktion des individuellen Konsums gefordert. Der Vortrag geht den Fragen nach, welche psychologischen Faktoren beeinflussen, ob und wann Menschen bereit sind, ihren Konsum zu reduzieren, und welche Interventionen nachhaltigen Konsum fördern können.
Prof. Dr. Helwig Schmidt-Glintzer hatte von 1981 bis 1993 den Lehrstuhl für Ostasiatische Kultur- und Sprachwissenschaft an der Univ. München inne. Von 1993 bis 2015 war er Direktor der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel und ist heute Direktor des China Centrums Tübingen. Die verschiedenen Lebensgeschichten des Buddha stellen für Buddhisten und Buddhismusforscher eine Herausforderung dar, wenn es darum geht, all das zahlreiche Material zu betrachten. Indem der Dozent versucht, „Buddha als historische Person“ neu zu erfassen sowie seine intellektuelle und religiöse Weltsicht mit den vielen posthumen Legenden in Einklang zu bringen, rekonstruiert er eine Biographie, die natürlich virtuell, aber gleichzeitig realistisch ist.
Olivier van Beemen ist ein niederländischer Investigativ-Journalist, der sich vor allem mit Afrika beschäftigt. 2019 erhielt er den "Tegel", den wichtigsten niederländischen Journalistenpreis. Seine Artikel erscheinen in internationalen Zeitungen wie "The Guardian" oder "Le Monde". Die NGO (Nichtregierungsorganisation) „African Parks“ verwaltet eine Fläche von der Größe Großbritanniens. Sie unterhält bewaffnete Kräfte mit weitgehenden Befugnissen zum Schutz der Gebiete vor Terroristen, vor Wilderern - und vor der Bevölkerung. Einheimische dürfen das von ihnen traditionell genutzte Land nicht mehr betreten, es kommt zu Folter und Vergewaltigung. Der Safari-Tourismus, Spenden von Milliardären und westlichen Regierungen - auch der deutschen - bringen reiche Einnahmen. An der Spitze steht eine weiße Elite, die alles daransetzt, nur schöne Bilder von Großwild und intakter Natur nach außen dringen zu lassen. Olivier van Beemen hat 3 Jahre lang recherchiert und sich nicht von Verhaftung, Abschiebung und Spionagevorwürfen abschrecken lassen. Er zeigt, was die Militarisierung des Naturschutzes anrichtet, wie die einheimische Bevölkerung drangsaliert wird und eine weiße Exekutive ohne Kontrolle im Namen einer „unberührten“ – menschenleeren Natur herrscht.
Andreas Müller ist Astrophysiker und Chefredakteur von „Sterne und Weltraum“. Die Astronomie gehört zu den schönsten Wissenschaften überhaupt, weil wir mit ihr faszinierende und atemberaubend ästhetische Aufnahmen gewinnen. Einen großen Anteil daran haben Weltraumteleskope wie Hubble oder neuerdings James Webb. Doch auch andere Instrumente und Methoden der Astrophysik liefern Bilder, die einen große Reiz ausüben. Dr. Andreas Müller entführt sein Publikum in die Magie der astronomischen Aufnahmen und tritt den Beweis an: Die Schönheit der Bilder wird noch tiefer empfunden, wenn man sie mit etwas mehr wissenschaftlichem Hintergrundwissen betrachtet.
Prof. Dr. Ulinka Rublack lehrt seit 1996 Europäische Geschichte der Frühen Neuzeit an der Univ. Cambridge und wurde 2019 mit dem Preis des Historischen Kollegs ausgezeichnet. 1511 fasst Albrecht Dürer einen radikalen Entschluss: Nach einem Streit mit dem Frankfurter Kaufmann Jacob Heller wegen eines Auftrages hört er auf Altarbilder zu malen und wendet sich anderen Werken zu. Dieser Konflikt ist dabei wie eine Linse, durch die man die neue Beziehung zwischen Kunst, deren Sammeln und dem Handel in Europa bis zum 30-jährigen Krieg beobachten kann. Denn mit dem beginnenden 16. Jh. wurde Kunst Teil eines wachsenden Sektors von Luxusgütern und vollzog eine umfassende Kommerzialisierung. Kaufleute und ihre Mentalität waren entscheidend dafür. Prof. Dr. Ulinka Rublack bringt Ihnen die Gedanken- und Gefühlswelten Albrecht Dürers und der Kaufleute seiner Zeit näher. Anhand von originalen Schriftstücken, Briefverläufen und Bildern zeichnet sie eindrucksvoll die Geschichte Dürers, seines Werks und des aufkommenden europäischen Kunst- und Handwerksmarkts nach.
Prof. Dr. Dorothea Weltecke lehrt Europäische Geschichte des Mittelalters an der Humboldt-Universität Berlin. In Konstanz war sie 10 Jahre lang Professorin für die Geschichte der Religionen. Das Grab des Propheten Ezechiel in der Nähe von Bagdad war im Mittelalter Ziel von jüdischen, muslimischen und christlichen Pilgern. An diesem und vielen anderen Beispielen zeigt Dorothea Weltecke anschaulich, wie intensiv sich die Weltreligionen austauschten. Gemeinsam bauten sie eine neue kulturelle Landschaft. Dass ihre Traditionen miteinander verwandt waren, wussten Juden, Christen und Muslime im Mittelalter. In der Parabel von den drei Ringen streiten die Brüder jedoch über das Erbe, das sie von ihrem gemeinsamen Vater bekommen haben. Problematisch für das Verhältnis der Glaubensgemeinschaften zueinander wurden im Mittelalter nicht ihre Wahrheitsansprüche, sondern neue rechtliche Unterscheidungen zwischen Gläubigen, nur Geduldeten und Nichtgeduldeten.
Irina Rastorgueva arbeitete als Kulturjournalistin in Russland. Sie verfasste zahlreiche wissenschaftliche Artikel über Theorie bzw. Geschichte der Literatur und des Journalismus des 20. Jh. Zurzeit schreibt die in Berlin lebende Autorin u.a. für FAZ, NZZ und das Magazin Osteuropa. In Russland bringt das Verbot kritischer Medien eine beinahe karikaturhafte Erzählung über traditionelle Werte und die Notwendigkeit der »Militärischen Spezialoperation« hervor. Sorgfältig geplante Propagandaaktionen arbeiten zugleich im Rest der Welt an der Destabilisierung demokratischer Gesellschaften. Ein planmäßiger Wahnsinn überzieht das Land. Er zeigt sich in inflationär gebrauchten Euphemismen und Hassreden, als Denunziation und in einem durchdachten Strafregime. Es ist ein Wahnsinn mit Geschichte. Die russische Gesellschaft ist im Griff einer unerbittlichen Gewalt, die eine Fortführung der paranoiden Suche nach Feinden, der nächtlichen Verhaftungen, Durchsuchungen und Folterungen sowie der Gulags aus dem Sowjetregime ist – in neuem Gewand und verschmolzen mit dem Gangstertum der 90er Jahre. Irina Rastorgueva zeigt aus eigener Erfahrung sowie anhand kremlkritischer und russlandtreuer Autoren das Wirken der russischen Selbstvergiftung.
Prof. Dr. Karen Pittel, ifo Institut und acatech Präsidiumsmitglied, lehrt Volkswirtschaftslehre an der LMU München. Sie berichtet hier als Co-Vorsitzende des "Wissenschaftl. Beirats der Bundesregieung Globale Umweltveränderung" zu dessen aktuellem Gutachten „Wasser in einer aufgeheizten Welt“. Wasser ist Leben. Wasser eint, trennt und schürt Konflikte. In einer klimatisch und geopolitisch aufgeheizten Welt verschärfen sich die Herausforderungen um Wasser substanziell. Unsicherheit wird Normalität, Grenzen der Beherrschbarkeit könnten überschritten werden. Notwendig ist ein langfristiges klimaresilientes Wassermanagement, das Wasser in Flüssen, Seen und Grundwasser sowie im Boden gebundenes Wasser zusammendenkt und flexibel auf Veränderungen reagieren kann. Dazu braucht es einen gestaltenden Staat ebenso wie privatwirtschaftliche Initiative, globale Kooperation ebenso wie selbstorganisierte Strukturen und nicht zuletzt eine starke begleitende Wissenschaft. Wie kann man diesen Herausforderungen begegnen und die notwendigen Prozesse initiieren? In Kooperation mit der acatech
Prof. Dr. Carlo Masala lehrt Internationale Politik an der Univ. der Bundeswehr. Die russischen Truppen durchbrechen die unter massivem Munitions- und Personalmangel leidenden Stellungen der ukrainischen Armee im Süden bzw. Osten des Landes und rücken erneut bis Kiew vor – diesmal erfolgreich. Präsident Selensky und seine Regierung werden durch ein autoritäres Marionettenregime von Moskaus Gnaden ersetzt. Die USA haben sich militärisch weitgehend aus Europa zurückgezogen, um alle Kräfte auf den drohenden Krieg mit China im Pazifik zu konzentrieren. Deutschland und Frankreich gelingt es immer noch nicht, eine schlagkräftige europäische Sicherheitsallianz aufzubauen. Und am frühen Morgen eines Märztages im Jahr 2028 rücken russische Panzer im Baltikum ein. Im NATO-Hauptquartier in Brüssel muss eine Entscheidung getroffen werden, bevor die Dinge ihren Lauf nehmen … Es ist nur ein hypothetisches Zukunftsszenario, das der renommierte Politikwissenschaftler und Militärexperte Carlo Masala im Vortrag entwirft – aber es zeigt auf drastische Weise, was heute auf dem Spiel steht.
Prof. Dr. Jens Gutzmer leitet als Gründungsdirektor das Helmholtz-Institut Freiberg für Ressourcentechnologie. Er ist Professor für Erzlagerstätten und Geometallurgie an der TU Bergakademie Freiberg und hat eine Gastprofessur im Department of Geology der Univ. Johannesburg, Südafrika. Er ist Mitglied der Dt. Akad. der Technikwissenschaft (acatech) Welche Rolle können primäre Rohstoffe aus heimischen Lagerstätten spielen? Wie kann Deutschland auf den internationalen Rohstoffmärkten handlungsfähig werden? Wie können wir unsere hohen Abhängigkeiten bei kritischen Metallen und Mineralien verringern? Es ist höchste Zeit, neue Wege für unsere Rohstoffversorgung einzuschlagen. In Kooperation mit der acatech
Prof. Dr. Ilka Axmann lehrt Synthetische Mikrobiologie und trainiert Mikroalgen darauf, pflanzliche Aromen und Farbstoffe anzunehmen. Obst, Gemüse, Gewürze erkennen wir mit geschlossenen Augen. Aber wie entstehen diese Eigenschaften? Für Farbe, Duft und Geschmack unserer Nahrungsmittel sind pflanzliche Sekundärstoffe verantwortlich: Carotine sorgen für das Orange der Möhren, Furaneol gibt Erdbeeren ihr Aroma und Valencen Orangen ihren Geschmack. Auch die Wirkung von Arzneipflanzen wie Ingwer, Salbei und Kamille geht auf Sekundärstoffe zurück. Anbauflächen werden allerdings immer knapper und die Bewässerung von Pflanzen durch den Klimawandel immer schwieriger. Hier kommen die Mikroalgen ins Spiel, ein Rohstoff für die Zukunft. Sie können sich extrem gut anpassen, gedeihen in Salzwasser und sind wie Pflanzen in der Lage, Kohlendioxid zu fixieren und in Zucker und Sauerstoff umzusetzen.
Dr. Theodora Becker studierte Philosophie, Politik- und Kulturwissenschaften. Die Hure ist in den Worten Walter Benjamins »Verkäuferin und Ware in einem«. Sie verdinglicht sich zum käuflichen Objekt und bleibt doch unverfügbares Subjekt. Bis in die Debatten der aufgeklärten Gegenwart erscheint sie zugleich als preisgegebenes Opfer und arbeitsscheue Betrügerin. Prostitution zeigt sich als unverzichtbare Einrichtung und zu bekämpfendes Übel. Theodora Becker untersucht, wie sehr das mit dem auf Frauen sowie ihren Körper gerichteten bürgerlichen Blick verbunden ist, der zu immer Kontrolle und Voyeurismus, Distanz und Neugier gleichermaßen ist. Ebenso fragt sie nach der Ambivalenz der sexuellen Ware, die diesen Zuschreibungen und Umgangsweisen zugrunde liegt. Dabei verfolgt sie anhand der Prostitution den Zusammenhang von Subjektivität, Sexualität, Warenform und Arbeit in der bürgerlichen Gesellschaft sowie dessen Wandlungen seit dem 19. Jh.
Prof. Dr. Peter Adamson lehrt Philosophiegeschichte an der LMU München. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählt die Philosophie der Antike und der islamischen Welt. Antike Philosophen vertraten bei der Bewertung von Tieren ganz unterschiedliche Positionen. Während Aristoteles und die Stoiker Tiere aufgrund ihrer fehlenden Vernunft und Sprache scharf vom Menschen abgrenzten, bewerteten andere philosophische Strömungen Tiere völlig anders. Insbesondere Autoren der Spätantike und der islamischen Welt schrieben Tieren durchaus rationale Fähigkeiten zu. Einige Denker waren sogar überzeugt, dass Tiere Sprache benutzten. Im Vortrag werden diese Positionen vorgestellt und auf die ethischen Konsequenzen eingegangen, wie wir Menschen Tiere behandeln sollten.
Prof. Dr. Matthias Brand lehrt Allgemeine Psychologie und Kognition an der Fakultät für Informatik der Univ. Duisburg-Essen und ist dort auch wissenschaftlicher Leiter des Center for Behavioral Addiction Research an der Medizinischen Fakultät ist. Zudem ist er Direktor des Erwin L. Hahn Institute for Magnetic Resonance Imaging in Essen. Die Computerspielstörung wurde unlängst von der WHO als Verhaltenssucht in das internationale Klassifikationssystem von Erkrankungen aufgenommen. Über (Online)-Spiele hinausgehend werden auch andere Internetapplikationen suchtartig genutzt, z.B. Online-Shoppingseiten, soziale Netzwerke und Online-Pornografie. Im Vortrag werden die aktuellen diagnostischen Kriterien vorgestellt, theoretische Störungsmodelle zusammengefasst und der aktuelle Forschungsstand zu psychologischen bzw. neurobiologischen Prozessen der onlinebezogenen Verhaltenssüchte skizziert. Abschließend werden Ansätze für Prävention und Therapie diskutiert.
Thomas Steinfeld war Literaturchef der FAZ und anschließend Leiter des Feuilleton der SZ. Von 2006-2018 lehrte er als Professor für Kulturwissenschaften an der Univ. Luzern. Er hat u.a. zu Goethe, Italien und Marx viel beachtete Publikationen vorgelegt. Mehrmals geriet Goethe auf seiner italienischen Reise in Situationen, in denen er glauben wollte, aus der eigenen Zeit gefallen und in der Antike oder in einer Art Nicht-Zeit gelandet zu sein. Wir meinen, dieses Gefühl wiederzuerkennen. Doch so ist es nicht: Goethe hatte, noch dem 18. Jh. gemäß, andere Vorstellungen von Zeit und Geschichte, als wir sie hegen – erkennbar etwa an seiner Beschreibung italienischer Gasthäuser, an der Schilderung seiner Ankunft auf Sizilien, an seinen Äußerungen über Palladio oder auch an seinen Versuchen, die „Urpflanze“ zu entdecken.
Prof. Dr. Otto Kallscheuer ist Philosoph und politischer Theoretiker. Er unterrichte und forschte u.a. an den Universitäten Rom, Princeton, Sassari, Osnabrück und der Columbia University. Er ist Autor des 2024 erschienen Buches „Papst und Zeit: Heilsgeschichte und Weltpolitik“. Das Imperium Romanum und die römisch-katholische Kirche verkörpern zwei völlig verschiedene, aber zugleich auch verwandte Institutionen: zwei erfolgreiche Modelle eines politischen, rechtlichen, ethischen Universalismus, der sich Im Prinzip an alle Menschen richtet. Die ewige Stadt zieht ihren Nimbus und auch ihren kulturellen Reichtum aus beiden Modellen: aus dem Machtanspruch einer weltlich stabilen Friedensordnung für den ganzen Erdkreis und aus dem Heilsversprechen einer allen Menschen zugänglichen himmlischen Seligkeit. Der Papst, Oberhaupt der katholischen Weltkirche, hat im 19. Jh. zwar jede weltliche Herrschaft aufgeben müssen, seine kirchliche Zentralmacht jedoch weiter verstärkt und perfektioniert. Wie konnte, wie kann dieses Paradox funktionieren?
Prof. Dr. Jakob Hessing, geboren 1944 im Versteck bei einem polnischen Bauern, wuchs in Berlin auf und ging 1964 nach Israel. Bis 2012 leitete er die Germanistische Abteilung an der Univ. Jerusalem. Er schreibt Romane sowie Essays und übersetzt aus dem Hebräischen. Der jiddische Witz ist mehr als die Summe der Witze, mit denen Ostjuden über sich selbst lachten. Er ist Geist, „esprit“, ja schwarzer Humor angesichts einer absurden Luftmenschen-Existenz. Jakob Hessing erschließt kurzweilig das ironische Potential der jiddischen Sprache und erklärt, warum jiddischer Witz und jiddische Literatur aufblühten, als das Ostjudentum seiner Vernichtung entgegen ging.
Jana Ringwald, Oberstaatsanwältin bei der Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (ZIT) der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt/Main, ermittelt mit ihrem Team bei Cyberattacken gegen Unternehmen und stellte illegal erlangte Kryptowährungen sicher. Sie vertritt das Bundesministerium der Justiz im European Judicial Cybercrime Network bei Eurojust in Den Haag. Der Beruf von Jana Ringwald spielt sich im Verborgenen ab, dem Darknet. Es geht um Daten, Kryptowährungen und Cyberattacken. Es ist eine hochkomplexe, für viele unbekannte Welt, in der die Täter immer öfter einen Schritt voraus sind. Das Problem: Der Cyberraum mit seiner komplexen Dynamik lässt der Justiz nicht genügend Zeit, mit der neuen Welt der Cyberkriminalität oder den technischen Durchbrüchen Schritt zu halten. Die Täter sind innovative, kreative Experten, die auch den digitalen Fortschritt mit vorantreiben. Jana Ringwald zeigt die Probleme der Justiz, aber auch, wie heute eine innovative und erfolgversprechende Strafverfolgung aussehen kann.